Seelsorge

Seelsorge ist: Wahrnehmung teilen im Horizont der Liebe Gottes

Seelsorgelernen ist: multidimensionale Wahrnehmungsschulung

Die Seelsorge-Ausbildung in Herborn legt, in Zusammenarbeit mit den an der Ausbildung beteiligten Menschen, Grundsteine, auf denen weiter aufgebaut werden kann. Seelsorgerinnen und Seelsorger werden sich im Verlauf ihres Lebens Kompetenzen aneignen, die ihnen helfen, ihre Wahrnehmungsfähigkeit zu schulen. Eine grundlegende Kompetenz von professionellen Seelsorgerinnen und Seelsorgern ist die Theologie.

Jede Sprache braucht Regeln, also eine Grammatik. Wenn Theologie die Grammatik des Redens von Gott ist, dann muss aus dieser grundlegenden These gefolgert werden dürfen, dass diese theologische Grammatik auch für die Handlungfelder der christlichen Gemeinde gilt, also z. B.  für die Seelsorge.

Es gibt keinen Zweck in der Seelsorge, jedoch ein Ziel, das im Grunde kein Ziel ist, sondern ein Ereignis, eine Frucht: Menschen entdecken, dass sie ihre Identität nicht in sich selbst suchen, keine „runde“ Persönlichkeit sein müssen. Ziel der Seelsorge ist, dass die einzelne Person in ihrem Geheimnis aufleuchten darf, was nur in der Begegnung geschieht. Wenn es aber geschieht, multipliziert sich die Begegnung Jesu mit den Menschen in einer geistvollen Weise. Christologie und Pneumatologie gehören zusammen.

In der Seelsorge-Ausbildung in Herborn soll die Vertiefung der theologischen Grundlagen mit der Einübung in eine Haltung verknüpft sein, die für differenzierte Wahrnehmung sensibel ist.

Die Gemeinderealität ist dabei der Ansatzpunkt der Ausbildung. In den seelsorglichen Begegnungen gilt es, aufmerksam wahrzunehmen, was die Gesprächspartner teilen möchten. Dies ist ein komplexes Geschehen, denn die Erwartung kann ganz unterschiedlich sein im Spannungsfeld von Lob, Klage, Dank und Bitte.

Das bedeutet konkret: beauftragte Seelsorger*innen entwickeln eine seelsorgliche Haltung der Wahrnehmung, die ihnen hilft, sich für seelsorgliche Begegnungen zu öffnen. Sie vertrauen dabei auf die Hilfe des heiligen Geistes und können sich gelassen in Begegnungen begeben. Nicht sie bringen Gott mit: Gott ist schon da! Die Menschen, denen die Seelsorger*innen begegnen, sind schon von Gott gerechtfertigt und im Blick des liebevollen Gottes.

Die Wahrnehmungsschulung eröffnet den Blick auf den theologischen Sinn des eigenen pfarramtlichen Handelns. Mit Sinn verbindet sich Resilienz. Die Seelsorgeausbildung in Herborn will dazu beitragen, dass Seelsorger*innen wahrnehmen, wie sie durch ihre tägliche Seelsorgehaltung, in der sie sich Zeit nehmen und aufmerksam werden für andere Persoen, ihr Amt sinnvoll ausfüllen-zum Wohl der Menschen, die ihnen begegnen, durchaus aber auch zu ihrem eigenen Wohl.

So ist Seelsorge ein lebendiges Geschehen, das Gott lobt, Christus die Ehre gibt und dem Heiligen Geist viel zutraut.